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Projekt, 04.10.2021

Im Gespräch: Die Gründerinnen

Monika Bieli (links) und Renate Kaufmann haben mit Pionier- und Unternehmergeist vor 25 Jahren sahara gegründet und waren lange Jahre im Vorstand aktiv.

Renate Kaufmann und Monika Bieli sind die Gründerinnen von sahara. Die Frauen arbeiteten in den 90er Jahren im Secondhand-Geschäft des Schweizerischen Arbeitshilfswerks SAH im St. Johann. Dazumal führten sie den Laden – beide lebten als alleinerziehende Mütter – im Teilzeitpensum in Co-Leitung.

Als dem Laden wegen Umstrukturierungen beim SAH das Aus drohte, waren neue Ideen und Konzepte gefragt. Das neue Konzept lautete «Weiterbildung und Qualifizierung» und eine engere Zusammenarbeit mit den zuweisenden Stellen. Diese Idee funktionierte gut, und zwar so gut, dass die beiden Pionierinnen noch einen Schritt weiter gehen wollten: Ein neues Geschäft in der Innenstadt sollte her!

Ein Sozialunternehmen an bester Lage in der Innenstadt. Wie ging Euer damaliger Arbeitgeber, das SAH, mit dieser mutigen Vision um?

MB: Wir hatten bereits ein Ladenlokal im Schmiedenhof gefunden und haben unser Konzept stolz präsentiert – ein tolles, grösseres Ladenobjekt an zentraler Lage in der Innenstadt, wir erreichen Menschen aus allen Quartieren und haben eine bessere Kundenanbindung, wir machen Arbeitsintegration im Herzen der Stadt sichtbar… Wir hatten viele starke Argumente auf unserer Seite, doch wir mussten kämpfen, um den Laden eröffnen zu können.

RK: Bedingung war, dass wir das Projekt als Partnerprojekt führen und alles in eigener Regie und auf eigene Rechnung machen. Und so mussten wir zunächst auch das unternehmerische Risiko tragen: Für die Ladeneinrichtung haben wir zunächst 10`000 Franken aus eigener Tasche vorgestreckt. Später haben wir das Geld dann zurückerhalten, als klar war, dass die Idee funktioniert. Wir sind volles Risiko eingegangen. Wir waren so überzeugt von unserer Idee, dass wir sie einfach umsetzen mussten.


Wie war damals die Situation am Arbeitsmarkt, warum habt ihr so stark auf Arbeitsintegration gesetzt?

RK: Arbeitslosigkeit kannten wir in der Schweiz eigentlich nur noch aus den 30er Jahren. Doch in den Neunzigern herrschte wieder hohe Arbeitslosigkeit und gerade Langzeitarbeitslosigkeit wurde zu einem grossen Thema. Von dem besonders Frauen betroffen waren; es gab regelrechte Kündigungswellen bei Frauen kurz vor dem Rentenalter.

MB: Die Frauen haben 30, 40 Jahre gearbeitet und dann wurde ihnen zwei, drei Jahre vor der Pensionierung gekündigt in dem Wissen, dass das Arbeitsamt für sie zahlen wird. Es war für die Frauen nahezu unmöglich, dann wieder eine Stelle zu finden. Arbeitslosigkeit wurde damals noch stark stigmatisiert. Darum muss man sich einmal vorstellen, was für eine tragische Situation und wie beschämend das für Betroffene war.

RK: Für uns war daher auch sehr schnell klar, dass sahara eine Unternehmung von Frauen für Frauen wird. Und dabei hatten wir ein klares Ziel vor Augen: Wir wollten kein reines Sozialprojekt sein, das ausschliesslich von zuweisenden Stellen abhängig ist. Wir wollten ein Sozialunternehmen sein, das selbst Umsatz erwirtschaftet, unternehmerisches Denken fördert und nicht nur Integrations– sondern auch Arbeitsplätze erschafft.


Und mit diesem Ziel vor Augen habt ihr am 15. Dezember 1995 den SECONDHAND im Schmiedenhof eröffnet und seid fulminant in die Zukunft gestartet?

MB: Ach, ein fulminanter Start wäre zu schön gewesen. Im ersten Jahr hatten wir Startschwierigkeiten, finanziell war es zunächst eine Bauchlandung. Gestartet sind wir mit einer Ladenleitung im 40% Pensum und einem Teilnehmer, der aus dem St. Johann mit an den Schmiedenhof gekommen ist. Das war übrigens der einzige Mann, der jemals bei sahara gearbeitet hat (…lacht).

RK: Monika und ich hatten ja noch die Ladenleitung im St. Johann, darum haben wir uns ehrenamtlich um den neuen Laden gekümmert und konnten gar nicht häufig vor Ort sein. Wir hätten unsere Festanstellungen zwar aufgeben können. Aber als alleinerziehende Mütter waren wir beide froh um die finanzielle Sicherheit. So konnten wir personell keine grossen Sprünge machen und das hat sich auch in den Zahlen niedergeschlagen. Im Folgejahr hat sich das Blatt gewendet. Mit einer neuen Ladenleiterin, die viel frische Energien und Ideen eingebracht hat, kam sahara dann endlich zum Fliegen.


Sprichst du damit auf die kontinuierlichen Projekterweiterungen an?

RK: Ja, ganz klar. sahara hat sich kontinuierlich entwickelt. Es sind mit der Administration und den Ateliers neue Arbeitsbereiche hinzugekommen, im Verkauf neue Geschäfte mit mehr Ladenfläche, im GREENSHOP und in der Administration werden Lernende ausgebildet.

MB: sahara hat Bestand, das Unternehmen ist ganz organisch gewachsen. Gestartet sind wir mit einer
40% Festanstellung und einem Integrationsplatz. Und 25 Jahre später arbeiten hier 14 Frauen in Festanstellung und jährlich werden bis zu 80 Teilnehmerinnen gefördert.


Was denkt ihr, was macht die Arbeit von sahara so wertvoll für die Teilnehmerinnen und Lernenden?

RK: Wertschätzung, die Qualität der Programme und auch das soziale Unternehmertum. Für die Teilnehmerinnen ist es zum Teil hochmotivierend, wenn sie erleben, dass sie mit ihrer Arbeit direkt zum Erfolg des Unternehmens beitragen. Das stärkt ihre Selbstwirksamkeit und das Selbstgefühl.

MB: Und was aussergewöhnlich ist: Hier haben die Teilnehmerinnen und Lernenden die Möglichkeit, nach ihrem Einsatz im Unternehmen Fuss zu fassen und fest angestellt zu werden. Das gibt es in Integrationsbetrieben nur sehr selten. Aber genau das war ja auch unser Ziel: Arbeitsplätze zu schaffen. Und dieser Geist und die Lebendigkeit lebt noch heute weiter.

Liebe Monika, liebe Renate, wir danken euch herzlich für das Gespräch. Und euren Mut und Pioniergeist, mit dem ihr sahara gegründet habt.

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